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Website Thomas Abel

Angriffe mit der Vergeltungswaffe V3 auf Luxemburg

V1, Foto: Bundesarchiv Bild 146-1973-029A-24A

Die erste flugfähige Rakete mit Flüssigantrieb, das Aggregat 4, ist allgemein bekannt. Geplant und gebaut sie zur Zeit der Nationalsozialisten unter Regie von Wernher von Braun, dem »Vater der Mondlandung«. Damals nannten sie die damaligen Machthaber Vergeltungswaffe 2, kurz V2.

Weit weniger kennen deren Vorgänger, die Vergeltungswaffe V1. Diese Langstreckenflugbombe Fieseler 103 war wiederum Vorgänger der heute noch bekannten amerikanischen »Cruise Missile« und kam gegen England, respektive gegen London und gegen die belgische Hafenstadt Antwerpen zum Einsatz..

Mit Hochdruck arbeitete man in den 1940er Jahren an der Entwicklung der, so glaubte man, kriegsentscheidenten Waffe: Der Vergeltungswaffe 3, Kurzname V3.

Marschflugkörper Fieseler Fi 103

Die V3 war eine Langrohrkanone, welche es der Wehrmacht während den 2. Weltkriegs ermöglichen sollte vom besetzten Frankreich aus die für normale Infantriegeschütze unerreichbare englische Hauptstadt London mit Artilleriegranaten zu beschießen.

In Fachkreisen wurde sie wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit mit Tarnnamen wie Hochdruckpumpe, »Fleißiges Lieschen« oder »Tausendfüssler« benannt.

1942 forschte der Oberingenieur August Coenders, der Fa. Röchling, an der schon aus dem 19. Jahrhundert stammenden Idee einer Mehrkammerkanone.

V3 Langrohrkanone, gut sichtbar die seitlichen Treibladungskammern (Bild Bundesarchiv, Bild Nr. 46-1981-147-30A)

Bei dem Prinzip der Mehrkammerkanone werden an ein Kanonenrohr zusätzliche seitliche Treibladungskammern angeflanscht. Die darin befindlichen Treibladungen detonierten, nachdem das Geschoss an ihnen vorbei gekommen ist. Dadurch wurden die Geschosse auf immer höhere Geschwindigleiten gebracht.

Oberingenieur Coenders entwickelte 1942 eine Mehrkammerkanone mit der Tarnbezeichnung »Hochdruckpumpe« (HDP). Die Soldaten nannten sie aufgrund ihrer für eine Kanone ungewöhnlichen Form »Tausendfüßler« oder »Fleißiges Lieschen«. Im Sprachgebrauch des damaligen Regimes wurde sie in der Reihe der »Vergeltungswaffen« als dritte einsatzfähige Waffe, »V3« genannt.

Die Rohrteilstücke für die Geschütze wurden durch die Firma Röchling Stahlwerke Völklingen in deren Fertigungswerk in Wetzlar hergestellt. Die pfeilförmigen Geschosse, zwei Meter langen Granaten mit einem Durchmesser von 15 cm, wurden ebenfalls von Röchling entwickelt.

Nachdem Hitler lies ein verkleinertes Modell der Waffe vorgeführt worden ist, plante dies Heeresführung die Stadt London aus einer Stellung bei Mimoyecques (Frankreich) an der Kanalküste mit mehreren HDP anzugreifen.

Die effektive Kampfentfernung der 130 m langen Kanonen sollte 160 km betragen. Auf dem Versuchsgelände in Misdroy an der Ostsee wurden im Januar 1944 bis zu 140 km Schussentfernung gemessen.

Die Alliierten eroberten jedoch im September 1944 die Kanalküste bei Mimoyecques. So musste der Plan, London mit insgesamt bis zu 50 HDP aus Artilleriebunkern zu beschießen, aufgegeben werden.

Der damalige SS-Gruppenführer Kammler, welchem die Verbände um die Vergeltungswaffen unterstanden, wollte jedoch unbedingt die Fronttauglichkeit der V3 beweisen. Er erhielt von Hitler direkt die Erlaubnis, die HDP während der Ardennenoffensive gegen die Stadt Luxemburg einzusetzen.

Stolleneingang, Foto: www.morr-siedelsbrunn.de

Zu diesem Zweck brachte man im Ruwertal bei Hermeskeil-Lampaden (49° 38′ 20,2″ N, 6° 42′ 59,1″ O) zwei verkürzte Versionen der HDP mit der Bezeichnung LRK 15 F 58 (Langrohrkanone) in Stellung. Von dort wurden die einzigen erwiesenermaßen eingesetzten V3 abgefeuert.

Den Einsatz übernahm die 1. Batterie der Heeres-Artillerie-Abteilung 705. Die Aufstellung der ersten Kanone dauerte vom 28.11.44 bis zum 23.12.44. Die 2. Kanone benötigte etwas mehr Zeit.

Man errichtete die beiden Geschütze auf Stahlkonstruktionen, welche auf einer hölzernen Unterkonstruktion lagerten.

Die hölzerne Unterkonstruktion wurde halb in den Hang eingegraben. Die Rohrerhöhung betrug 34 Grad. Diese verkürzte Version der Hochdruckpumpe war nicht mehr als 50 m lang und mit zwölf rechtwinklig angeordneten Seitenkammern ausgestattet. Die Kanonen hatten eine Reichweite von bis zu 60 km mit einer Streuung von bis zu 4 km.

Eingang Bergwerksstollen, Foto: www.morr-siedelsbrunn.de

Weiterhin errichteten die Baueinheiten drei Betonbunker für das Personal und die Munition. Ein nahegelegener Bergwerksstollen wurde zu diesem Zweck umgebaut und entsprechend für die Lagerung von Material oder Munition genutzt.

Aufgrund der alliierten Lufthoheit tarnte man die Feuerstellung an dem bewaldeten Hang sehr sorgfältig, sodass sie von den feindlichen Jagdbombern nicht erkannt werden konnte. Der Nachschub für die Anlage erfolgte nachts über die Bahnstrecke Hermeskeil-Trier zum ehemaligen Bahnhof Lampaden.

Die Ardennenoffensive begann am 16.12.44. Wegen Nachschubproblemen der aus Nürnberg-Feucht angelieferten Munition, konnte jedoch erst gegen Ende Dezember mit dem Einsatz der V3 begonnen werden.

Die erste Kanone eröffnete am 30.12.44 das Feuer, die zweite am 03.01.45.

Geschoss der V3

Insgesamt verschoss man 183 Stück der 155 mm-Sprengranaten Typ 4481 mit einem Gewicht von je 97 kg mit einer Durchschnittsfeuergeschwindigkeit von 3 Schuss pro Tag. Ziel war die 43 km entfernte Stadt Luxemburg.

Das Ziel war eine stark frequentierte Kreuzung in der Stadtmitte. Dieses ambitionierte Ziel wurde aufgrund des etwa 5 km großen

Streuradius jedoch nicht erreicht. Insgesamt gab es 44 bestätigte Treffer im Stadtgebiet. Durch den Beschuss wurden insgesamt 10 Menschen getötet und 32 Personen verletzt.

Am 15. Februar befahl SS-Gruppenführer Kammler die Demontage von einer der beiden Langrohrkanonen. Die verbleibende Kanone war noch bis 22.01.1945 im Einsatz.

Ende Februar waren die amerikanische Panzerspitzen unter Führung von General Patton nach einem schnellen Vorstoß nur noch 3 km von der Feuerstellung im Wald bei Lampaden entfernt. In letzter Minute konnte die Feuerstellung geräumt werden und der Rücktransport der letzten Kanone auf die rechte Rheinseite durchgeführt.

Die Teile der HDP (Hochdruckpumpe) transportierte man per Bahn wieder zurück nach Wetzlar auf das Gelände der Herstellerfirma Röchling. Von dort wurde sie nach dem Einmarsch der Amerikaner mit unbekanntem Ziel abtransportiert. 


Quelle: Morr-Siedelsbrunn.de, Michael Buschlinger, Dirk Budian