Großregion SaarLorLux
Website Thomas Abel

Die Geschichte des Saarlandes von 1960 bis 1976

Bundesland Saarland 

Das Bundesland in den Kinderschuhen (1960-1965)     

Röder,Franz-Josef, Bundesarchiv, B 145 Bild-F009566-0006, CC-BY-SA 3.0

Das Saarland musste schon in den ersten Jahren seiner Zugehörigkeit zur Bundesrepublik viele Probleme meistern. 

Politisch galt es, die Wunden zu heilen, die die Abstimmungszeit hinterlassen hatte. Nach den unruhigen Jahren des Übergangs, der als Ausdruck der Konflikte im christlichen und im liberalen Lager wechselnde Kabinette gesehen hatte, kam man erst mit Beginn der Ära Röder in ein ruhigeres Fahrwasser.

Franz-Josef Röder hatte seinen Vorgänger Egon Reinert nach dessen Unfalltod im April 1959 beerbt. Es gelang ihm relativ rasch, eine auf die CDU gestützte stabile Regierungsmehrheit zu etablieren und dem Saarland im Verbund der größeren Bundesländer eine respektable Stellung zu verschaffen.

Bereits wenige Monate nach dem ›Tag X‹ übernahm Röder am symbolträchtigen 23. Oktober zum ersten Mal für das Saarland die Präsidentschaft im Bundesrat. 

Wesentlich schwieriger als der politische Übergang gestaltete sich die Anpassung der saarländischen Wirtschaft an das System der bundesdeutschen Marktwirtschaft. 

Nicht nur die Währungsumstellung und die damit verbundene Entwicklung der Verbraucher-preise sorgten für Turbulenzen. Auch die fehlende Konkurrenzfähigkeit vieler mittelständischer Unternehmen oder der Kampf um den sozialen Besitzstand auf einem stärker nach dem Leistungsprinzip organisierten Markt sorgten für Unruhe.

Nur bedingt konnten diese Probleme durch die Eingliederungshilfen aufgefangen werden, welche zu Beginn der 1960er Jahre in Form von Steuerermäßigungen und staatlichen Investitionsprämien geleistet wurden. 

Gleichzeitig hatte man mit einer Krise im Bergbau zu kämpfen, welche eine drastische Reduzierung von Fördermengen und -anlagen sowie Arbeitsplätzen brachte.

Im schwersten Unglück der saarländischen Bergbaugeschichte, das 1962 in Luisenthal 299 Leben kostete, fand diese Krise einen dramatischen Ausdruck. 

Dennoch, es ging auch aufwärts mit dem Saarland. Die Stahlindustrie, anders als der Bergbau bereits im europäischen Rahmen agierend, boomte. Die Reallöhne stiegen ebenso wie die wirtschaftlichen Zuwachsraten. 

Neue Betriebe, die vor allem in der weiterverarbeitenden Industrie, aber auch in der Textil-, Nahrungs- und Genussmittelindustrie entstanden waren, brachten neue Arbeitsplätze. 

Die Universität in Saarbrücken und Homburg wurde zügig ausgebaut. Der Saarländische Rundfunk, der 1964 mit der »Europawelle« ein international beachtetes, neues Sendeformat entwickelt hatte, wurde zum wichtigen Stützpfeiler der saarländischen Selbstständigkeit.

Und die Investitionen in die Infrastruktur brachten dem Saarland ein modernes Verkehrsnetz. 1963 konnte der Autobahnanschluss der Landeshauptstadt ans deutsche Fernstraßensystem nach siebenjähriger Bauzeit vollzogen werden. 

Zwei Jahre später wurde mit der Einweihung der neuen Landebahn und der Eröffnung der Fluglinie nach Düsseldorf auch der Flughafen Saarbrücken-Ensheim endlich verkehrstauglich. Der Take-off des Bundeslandes war fraglos gelungen.  

                   

Zwischen Modernisierung und Umbruch (1965-1969)    

Röder, Franz-Josef, Bild CDU, CC BY-SA 3.0

Im Zeichen der staatlichen Modernisierung setzte das Saarland in den 1960er Jahren wichtige bildungspolitische Akzente. Hohe Investitionen dienten bereits seit dem Beginn dieses »pädagogischen« Jahrzehnts dem Ausbau des Schul- und Hochschulsystems. Innerhalb einer Dekade wurden für die unterschiedlichen Schulformen über 2.000 Klassenräume und mehr als 200 Sportstätten neu errichtet. 

Die drastisch steigenden Schülerzahlen und das erhöhte Bildungsbedürfnis forderten ebenso eine erhebliche Vermehrung der weiterbildenden Schulen, deren Angebot von den Real- und berufsbildenden Schulen über die 1969 gegründeten Fachoberschulen bis zu den Aufbaugymnasien reichte. 

Auch in die Hochschullandschaft kam Bewegung. Verschiedene Höhere Fachschulen wurden 1970 in der Fachhochschule des Saarlandes zusammengefasst. Im gleichen Jahr wurden die ehemals konfessionellen Lehrerbildungsstätten in die Pädagogische Hochschule überführt. Das Ende der konfessionellen Schulbildung, welche 1969 nach langem Widerstand der CDU-Regierung gekommen war, kündete von einer neuen Zeit. 

Spürbar wurde sie besonders an der Universität, wo die Reformdiskussion und die politische Umbruchstimmung von 1968 viele demonstrierende Studenten auf die Saarbrücker Straßen brachten. 

Eine Veränderung des politischen Klimas mit einer tendenziellen Stärkung des linken Lagers konnte man bereits bei den Landtagswahlen von 1965 registrieren, als die SPD nach einem Sprung in der Wählergunst bei einem Stimmenanteil von 40% landete. 

Dennoch blieb sie von einer Regierungsübernahme noch weit entfernt. Die hohe Popularität des Landesvaters und die Erosion der ursprünglich nationalliberalen FDP/DPS führten sogar zur Alleinregierung der Christdemokraten nach den Wahlen von 1970. 

Bei diesem Urnengang profitierte Röder sicher auch von den Errungenschaften der vorausgegangenen Jahre, die das Land für die breite Bevölkerung sichtbar verändert hatten. Nach dem gelungenen Wiederauf- und Neubau und der Errichtung eines modernen Verkehrsnetzes wurde nun im sportlich-kulturellen Bereich einiges geleistet. 

Neben Sportplätzen, -hallen und Schwimmbädern, die bald das ganze Land überzogen, wurden zentrale Veranstaltungsorte und Kulturinstitutionen neu geschaffen. Dazu gehörten in vorderster Linie die 1968 bezogene moderne Galerie, die neue Musikhochschule, die 1968 fertig gestellte »Saarlandhalle« sowie die ein Jahr zuvor eingeweihte »Kongresshalle«, die gemeinsam mit dem Bund realisiert wurde und so die Verbundenheit Deutschlands mit seinem jüngsten Bundesland dokumentieren sollte. 

Die Rezession von 1966/67 traf das Saarland mit seiner auf Kohle und Stahl gegründeten Ökonomie härter als andere Teile Deutschlands. 

Die Saarregierung forderte daher in einem Saar-Memorandum vom April 1967 bundesdeutsche Unterstützung und formulierte gleichzeitig ein umfassendes Restrukturierungsprogramm. Damit begann die Geschichte von Subventionsabhängigkeit und Reformzwang, die den Weg des Saarlandes in den folgenden Jahrzehnten oft leidvoll bestimmten. 

            

Neue Wege, neue Impulse, neue Köpfe (1970-1975)     

Anfang der 1970er Jahre trug die auf der Basis von Raumordnungsplänen gestaltete Ansiedlungspolitik Früchte. 

Die Vielzahl der Betriebe, die in neu erschlossenen Industriegebieten entstanden waren, ließ bundesdeutsche Vertreter gar von einem »Ansiedlungswunder« sprechen. Nachhaltig wirkten vor allem die Eröffnung der ›Fordwerke Saarlouis‹ im Juni 1970 (wo bereits ein Jahr später der 100.000. »Escort« vom Band lief) oder die Niederlassung der ›ZF‹ in Saarbrücken, die sich als global agierender Zulieferer für Automobile profilierte. 

Die neuen Betriebe der Investitions- und Konsumgüterindustrie, brachten nicht nur viele Arbeitsplätze. Sie sorgten auch dafür, dass sich die Struktur der saarländischen Wirtschaft langsam wandelte. Das Saarland profitierte von dieser Modernisierung: Wirtschaftliche Kennziffern zeigten trotz des Ölpreisschocks von 1973 nach oben, das Bruttoinlandprodukt (BIP) stieg von 1970 bis 1975 um 61%.

In dieser Phase wurde auch ein uraltes Verkehrsprojekt des Landes endlich auf den Weg gebracht. Die Kanalisierung der Saar von Brebach bis Konz, bereits 1969 von der Großen Koalition in Bonn zugesagt, wurde von der Regierung Brandt im Mai 1973 rechtskräftig abgesegnet. Im Oktober 1975 begannen die Arbeiten im Mündungsgebiet, die erst 1988 mit dem Erreichen des Dillinger Hafens abgeschlossen wurden. 

Das internationale System schiffbarer Wasserstraßen, zu dem die Saar nun Zugang hatte, war nur ein Bestandteil jenes grenzüberschreitenden Netzwerkes, das um 1970 einen Namen erhielt: 

»SaarLorLux« wurde die Vision der europäischen Kernregion getauft, in der künftiges Wachstum durch den Austausch in Politik, Wirtschaft und Kultur gefördert werden sollte. Bereits 1970 wurde eine entsprechende Regierungskommission für den Grenzraum eingesetzt; erste Arbeitstreffen fanden seit 1971 auf der Ebene der Regionalkommission »Saar-Lor-Lux-Trier/Westpfalz« statt. 

Neue Akzente wurden 1974 auch auf kommunaler Ebene gesetzt. Die im Dezember 1973 gesetzlich verabschiedete Gebiets- und Verwaltungsreform reduzierte die Anzahl der selbstständigen Gemeinden im Saarland von 354 auf 50 Gemeinden mit jeweils mehr als 8.000 Einwohnern. 

Diese von oben diktierte Enteignung kommunaler Rechte löste vielerorts Protest aus, der lange Jahre nachhallten. Insgesamt brachte die Reform jedoch eine erhebliche Effizienzsteigerung der Verwaltung, sie hat sich als ein Akt notwendiger Modernisierung längst bewährt. 

Der kommunale Rahmen, in dem Saarbrücken seit 1974 agierte, bot auch das Forum, in dem sich neue politische Köpfe profilieren konnten. Werner Klumpp, der dezidiert für eine sozial-liberale Politik im Land plädierte, konnte sich in der FDP durchsetzen und wurde mit Unterstützung der SPD erster Präsident des neu geschaffenen Stadtverbandes. 

Im Gegenzug wurde Oskar Lafontaines Wahl zum Saarbrücker Bürgermeister möglich, weil ihm die Ratsmitglieder der FDP ihre Stimme gaben. Der damals Dreißigjährige, im Jahr zuvor bereits zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD im Land avanciert, wurde 1976 jüngster Oberbürgermeister in der Geschichte der Landeshauptstadt.


Quelle: saarland.de